(dort : eingefügte Bilder, auch von Textstellen)
Besprechung :
W A I K I K I -whykiki- oder
IST
PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN PHILOSOPHIE ?
Die sympathische Autorin aus
Vorarlberg lernte der Rezensent beim Wintertreffen der Gruppe philopraxis.ch
kennen. Mag. Maria Eitzinger macht
nach Abschluss ihrer Universitätsausbildung gerade die ersten Schritte in die
Berufstätigkeit u. a. mit einer Vertretung in der Lehre der PH des Kantons
Thurgau in unserer Nachbarstadt.
Der Titel macht (mich) neugierig. Freilich kommt p. 8
vorab die überraschende Eröffnung: „Ich
werde die Begriffe Philosophie und Philosophieren in meiner Arbeit
gleichbedeutend verwenden.“ Vgl. Tractatus 4.112: „Philosophie ist keine Lehre,
sondern eine Tätigkeit“(Wittgenstein).
Was bedeutet das für die
Titelfrage? Enthält fee-lah-so-fee (Thomas Jackson Newsletter/Hawai), enthält
die Kinderphilosophie die „Aspekte ...,
die das Philosophieren ausmachen“? (U4) Und welche sind das?
Es sind 3 US-Amerikaner und
eine Schweizerin, deren Ansätze zum Philosophieren von Vorschulkindern und dem
Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen (in der Schule) als exemplarisch
vorgestellt werden. Neben Eva Zoller (PH
Kreuzlingen) sind es der Gründer des IAPC* (1974) Matthew Lipman (NY), Gareth
B. Matthews (Amherst) und am wichtigsten: Thomas E. Jackson (Hawai), bei dem
die Autorin 7 Monate studierte.
„Die meisten Wissenschaften definieren sich ... über ihren
Zuständigkeitsbereich... Die Philosophie hingegen kann dies nicht, da ihr
Gebiet ... nicht fest umrissen ist.“ p. 33
Die Autorin verzichtet daher
zunächst auf eine Begriffsbestimmung von
Philosophie und führt statt dessen 5 Aspekte des Philosophierens auf .
Siehe philopraxis.ch-link !
Siehe philopraxis.ch-link !
„Ich werde mich der
traditionellen Dreiteilung anschließen“ (Epistemologie / Ethik / Metaphysik)
p.54ff wird hierzu ausgeführt und erläutert (unter Bezug auf Stoa, Kant,
Aristoteles und Heidegger/Parmenides- zur Metaphysik). Offenbar möchte die
Autorin in der dritten philosophischen Disziplin auch (philosophische) Theologie einbeziehen, cf.
p. 53
FRAGEN (p. 40ff) sind für sie das Lebenselexier der
Philosophie/ des Philosophierens. Dabei bestätigen die ersten 2 (der 3 oder 4)
Kantschen Fragen diese Disziplineneinteilung :
Was kann ich wissen ? (reine Vernunft / Epistemologie)
Was soll ich tun? (praktische
Vernunft / Ethik)
Hinsichtlich der dritten Kantschen Frage: Was darf ich
hoffen? (die mir nicht im selben Maße aktuell zu sein scheint) hält es die
Autorin mit Ludwig Marcuses Sentenz, die Metaphysik liefere sinnlose Antworten
„auf sehr sinnvolle Fragen“ (p. 43).
Dies bestärkt sie in ihrer Meinung, „dass die Frage in der Philosophie
wichtiger ist als die Antwort“ - oder
Philosophieren wichtiger als Philosophie? Strukturell auffällig ist, dass es für das im
Grundschulalter ausführlich dokumentierte (und analysierte) Textbeispiele gibt
(„little – p“ philosophy), doch von „big – P“ Philosophen bleiben co-text und
Diskussionskontext ihrer Äußerungen durchgängig ausgespart. Man ist sofort
geneigt anzufügen: „Dies ist aber im Rahmen einer Magisterarbeit auch gar nicht
anders möglich!“ Insbesondere wenn so viele Philosophen in ihren Aussprüchen
herangezogen werden. Doch bleibt nicht der Einwand, dass hier zu
Unterscheidendes verglichen wird? Auf Seiten der PhilosophInnen Sentenzen, auf
Seiten des Philosophierens /
Diskutierens mit Kindern Gespräche in der Gruppe (mit Lehrperson).
Und was könnte man vergleichen? Philosophieren mit
Kindern in der Elementary School und
Diskussionen in einem philosophischen Seminar an einer Universität oder in
einem Café philo* oder Dialog mit Sokrates? Gibt es Übereinstimmung mit dem,
was Philosophen über Philosophieren verkünden (cf. „Zusammenhang der
Aspekte“, 37ff und das kurze Eingehen
auf „Theorie und Praxis“ 87) und dem,
was sich in beobachtbaren philosophischen Gesprächen
Erwachsener zeigt? (Freilich; was darf als philosophisches
Gespräch gelten? Und: ist
Philosophieren im Universitätsseminar angeboten durch in
Philosophie Habilitierte jedenfalls Philosophie?
Maria Eitzinger führte am 3.3.2009 mit Studierenden der PHTG eine Diskussion nach
den Jackson-Regeln durch über die Frage: „und nach dem Tod?“ - solche Debatten
unter Auszubildenden scheinen mir ein naheliegendes Vergleichsmaterial.
Freilich fragte eine
Teilnehmerin: ist das eigentlich eine philosophische Frage?
Bietet sich an, darüber nach Jackson-
Regeln zu philosophieren und dies mit Kinderphilosophie
„über Leben und Tod“ zu vergleichen.)
Ganz am Schluss im Abschnitt 4.2 (pp. 88f) wird dann unter dem Titel
„Unterschiede zwischen PhilosophInnen und (-philosophierenden-) Kindern“ vermerkt,
„dass der/die PhilosophIn die meiste Zeit alleine arbeitet und mit anderen
Denkern hauptsächlich über Bücher in Kontakt steht.“ (eine Idealisierung) “Die
Kinder philosophieren in einer Gruppe.“ (korrekt für das angeführte
Material) Ist es nicht vielmehr so, dass die Autorin über
philosophische Bücher mit
PhilosophInnen, die sie zitiert, Kontakt aufnimmt, also mit
aufgeschriebener Philosophie, und in
Kontrast dazu das von ihr
ausgewählte, teils selbst mit veranlasste und hier vorgestellte mündliche
Philosophieren mit Kindern steht? Gibt
es Vergleichbares etwa mit Studierenden? Siehe etwa die traditionellen
studentischen debating societies in Oxford. Macht der Bezug auf aufgeschriebene
Philosophie Anderer den Unterschied zur Kinderphilosophie? (Aber siehe das Beispiel 3.3.2009)
Die griffige Titelfrage
„Ist Philosophieren mit Kindern Philosophie?“
könnte den nahe liegenden Blick
darauf versperren, dass nicht mehr (und nicht weniger) als
Familienähnlichkeit zu erwarten ist.
Auch Philosophieren ist ein Sprachspiel,
in dem von Wittgenstein in die Philosophie eingeführten, zugleich
anspruchsvollen und bescheiden selbstkritischen Sinn. Maria Eitzingers SCHLUSS (im Doppelsinn) : „Philosophieren mit
Kindern ist Philosophie“ legt aber
stattdessen Subsumtion nahe. Abgetönt wird dies noch auf derselben Seite: „Die
Theorie des Philosophierens mit Kindern steht ... mit der Philosophie (der
Großen V.M.R.) in engem Kontakt.“ p.
87 – kursiv von mir. Das Bündel philosophischer Sprachspiele ist schon selber variätätenreich ... und es gibt auch noch soziale
Sprachhandlungen „drum rum“, wobei der – um im Bild zu bleiben – Grad der
Verwandtschaft nicht immer schon von Beginn an feststeht.
The Waikiki „Let´s talk
philosophy“ Language Game
Mag.
Eitzinger machte als Gaststudentin im Spring Term 2005 Feldforschung in Hawai,
in der Waikiki Elementary School. Außer ihr gab es dort noch „andere
StudentInnen, die kinderphilosophischen Gesprächen zuhörten“ (p. 85). Die
Spielregeln wurden von Thomas E.
Jackson entwickelt, manche Anregungen von Lipmans
Advancement of Philosophy for Children
(seit 1974) aufgreifend , und in dem von der Regierung von
Hawai geförderten „Philosophy in the
Schools Project“ ab 1984 wurde das – ich nenne es hier so – WHYkiki praktisch.
18 Jahre lang gab es die Möglichkeit für Philosophiestudierende mit einem
ersten Abschluss (B.A.), ein bezahltes Praktikum im Rahmen dieses Projekts an
Grundschulen zu machen. „A sense of wonder“ sei bei
Vorschulkindern noch weit verbreitet, nehme aber bald nach
der Einschulung in eine Schule ohne WHYkiki drastisch ab. Junge Schulkinder
hören auf, „Wunderfragen“ zu äußern, weil sie sich in der normalen Schule damit
rasch zum Gespött machten. Dem versucht eine Schule mit WHYkiki entgegen zu wirken
durch Einrichten einer „Intellectually Safe Community“ - im Rahmen der
WHYkiki-Stunden. Waikiki Elementary School ist noch heute eine solche Schule.
Maria Eitzinger beschreibt in
dem wohl spannendsten Teil ihres Textes pp.20-33 (ergänzt durch Bemerkungen
pp.57-65) diesen Ansatz und gibt dann pp. 67-87 Textbeispiele, ab p. 81 bezogen
auf ihre teilnehmende Beobachtung (siehe auch p. 63f) an der Waikiki Elementary School. Bei mir hat dies
ein lebhaftes Interesse geweckt, selber bald teilnehmender Beobachter von
WHYkiki zu werden. (Was ja am 3.3.2009 schon begonnen hat.)
Maria Eitzinger, Ist Philosophieren mit Kindern Philosophie?
VDM Verlag Dr.
Müller Saarbrücken 2008
ISBN:
978-3-639-01350-4
Die Autorin heißt nun Maria Rüdisser und ist Dozentin an der PHTG in Kreuzlingen.