Montag, 18. April 2011

Sara Telatar: Philosophisch Traun (nach Bernasconi)

Paarberatung & philosophische Trauungen
Martina Bernasconi, in: Methoden Philosophischer Praxis 2010 / Referentin: Sara Telatar
These: Beziehungen sind die wichtigsten Lebensfragen
1. Philosophische Trauungen
a) Wer lässt sich trauen?
Leute ohne kirchlich religiösem Hintergrund
Paare bei denen Liebe zum Partner im Zentrum steht
b) Ablauf
Anfrage
Kennenlerngespräch
Fragen zur Beziehung
Vorgespräch zentral zur Erkundung der Dynamik in der Beziehung
Jede Trauung ist einzigartig
c) Der Begriff der Entscheidung
Wahl zwischen Alternativen oder mehreren unterschiedlichen Varianten
Spontan, emotional, zufällig, rational
Entscheidung für die Ehe => rational
6 Schritte der Entscheidung
Feststellen eines Entscheidungsbedarfs = >Veränderung des Ist-Zustands
Analyse des Entscheidungsumfeldes = >Untersuchung der aktuellen Situation
Entscheidungsalternativen
Konsequenzen der einzelnen Alternativen
Entscheidung und Umsetzung einer Alternative
Beobachtung des weiteren Verlaufs, Revision oder gegebenenfalls Prüfung der Entscheidung => eventuelle Zweifel
Ambivalenzbegriff
2. Philosophische Trauung plus
Vorgespräch
Vertrauen der Paare
Paare setzen sich bewusst mit ihrer Beziehung auseinander
Ausdruck der wichtigen Dinge
Fruchtbare Themen für Beziehung werden angesprochen
3. Zusammenfassung
Unterschiedlichkeit der Paare
Fließende Grenze zwischen Paarberatung und Vorbereitungsgespräch
5 Schritte der philosophischen Trauung
Vorgespräch
2-4 intensive Gespräche
Biografie, Ablauf der Hochzeit
Erster Entwurf der Rede, welche vom Paar überarbeitet wird
Trauungsritual
4. Philosophische Paarberatung
Neben Einzelberatung immer mehr Partnerberatung
Ferdinand Fellmann => formuliert Mangel an theoretischer Reflexion zur Paarbeziehung
Georg Simmel= >Spannung zwischen Individuum und Paar=> „Wunder der Liebe“
Konflikt und Einheit
Ziel der Paarbeziehung => Harmonie der Individuen in einem Paar
5. Paarberatung
Themenkreise Regina Mahlmann
Nebeneinander statt Miteinander
Neue Verständigungsbasis und veränderter Umgang miteinander
6-Stufen-Modell Anette Prins-Bakker als Orientierung
Stufe 1 : Erzählen=> Einzelreflexion aus gelöstem Blickwinkel
Stufe 2 : Wer bist du? => Individuen unabhängig voneinander
Stufe 3 : Verlauf des Lebens => Werte
Stufe 4 : Lebensphase => eventuell Indiv. In zwei verschiedenen Lebensphasen
Stufe 5: Hinterfragen der eigenen Beziehungsstruktur => Austausch
Stufe 6 : Soll Beziehung weitergeführt werden? => gemeinsame Bilanz
Einzelgespräche und Sitzungen zu zweit => Paarberatung als >Hybride<
6. Philosophische Trauung => präventive Eheberatung
Beispiel: „Geliebt-werden-Momente“
Einblicke in Beziehungsdynamik => optimale Basis
Neue Perspektiven und Aussichten sollten schon vor Eintreten von Problemen diskutiert werden
7. These
Beziehungen Teil des menschlichen Daseins
Beziehungen auf allen emotionalen Ebenen
die meisten Fragen (ent)stehen in Zusammenhang mit anderen Menschen

LITERATUR
Martina Bernasconi, in: Methoden Philosophischer Praxis 2010
Ferdinand Fellmann,
Regina Mahlmann,
Anette Prins-Bakker,
Detlef Staude (Hg.), Methoden Philosophischer Praxis, Bielefeld 2010

Philosophische Reise in die Gegenwart

"Eine Reise in die Gegenwart"

ist der Untertitel von Florian W. Hubers Roman "Die Hochzeit des Chronos" (ISBN 978-3-8391-5062-7). Ein mittelmeerisches Land mit dem hintergründigen Namen Paroúsien (im philosophischen Griechisch:
παρουσία - Gegenwart)
ist die Heimat eines jungen Mannes, der ein naturnahes Leben unter freiem Himmel mit einer Ziegenherde führt. Es kommt ein reitender Bote aus der Stadt Parousía vom alten König Chronos (Zeit) . . .
Ein verlockender geheimer Auftrag verändert das Leben des Jünglings. Danach verlässt er sein Land und lernt die durch technische Erfindungen des Hephaistos (Gott der Schmiedekunst, der Vulkan Ätna ist seine unterirdische Werkstatt) veränderte Neue Welt kennen.

7 Jahre arbeitet er in der Fremde. Dann kehrt er zurück in seine Stadt am Meer. Er trifft den Menschen, weswegen er weggegangen war und wiedergekommen ist. Ein Kreis schließt sich. „Gleichzeitigkeit ist jetzt“ , gemeinsame Gegenwart. Und JETZT ist kein (ausdehnungsloser) Punkt. JETZT ist die Fläche der Gegenwart.
Das fiktive und überzeitliche Land altgriechischer Gegenwart fasziniert noch immer.

Sonntag, 17. April 2011

Moritz Scherzer: Führungscoaching (nach Fintz)

Vorbemerkungen
Im Mittelpunkt steht der Essay „Begleitung von Führungspersonen. Führungscoaching als Philosophische Praxis“ von Anette S. Fintz,in: METHODEN PHILOSOPHISCHER PRAXIS - wobei ich von Fintz’ Gliederung abgewichen bin. An Stellen, wo mir Fintz’ Ausführungen zu knapp erschienen, habe ich sie in meinen eigenen Worten und nach meinem Verständnis näher erläutert. Ziel ist, eine Vorstellung davon zu vermitteln, was Führungscoaching als Philosophische Praxis ausmacht.
Was hat (Unternehmens-)Führung mit Philosophie zu tun?
Beratung und Coaching sind in der heutigen Zeit sehr gefragte Dienstleistungen. Sie werden v. a. von hochrangigen Politikern, Spitzensportlern und Managern in Anspruch genommen, die sich davon eine Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit erhoffen. Die Beratung von Führungspersonen durch Philosophen hat eine lange Tradition. Eines der berühmtesten Beispiele ist Aristoteles, der bereits im 4. Jh. v. Chr. als Lehrer und Berater des makedonischen Prinzen Alexander (später: A. der Große) fungierte. Die Frage, was ausgerechnet einen Philosophen dazu befähigen sollte, eine solche Rolle auszuüben, zieht sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Kapitel des Essays von Fintz. Zunächst einmal soll ein Zusammenhang zwischen (Unternehmens-)Führung und Philosophie hergestellt werden.

Die Schwierigkeit des Führens
Das Handeln einer Führungsperson aus Wirtschaft oder Politik ist nie vollkommen unabhängig und immer bestimmten Einflüssen ausgesetzt. Dies können Entwicklungen und Ereignisse von globaler Bedeutung sein, z. B. die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008/2009, aber auch persönliche Härtefälle wie Beziehungsprobleme, Krankheiten oder unternehmensinterne Konflikte. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, entschlossen zu handeln und insbesondere ein Gespür für den kairós zu entwickeln, also im richtigen Moment das Richtige zu tun. Dies gilt als eine der schwierigsten Aufgaben, die eine Führungsperson zu bewältigen hat.

Coaching
Um damit besser umgehen zu können und den steigenden Erwartungen gerecht zu werden, unterziehen sich viele Führungspersonen einem sog. Coaching. „Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organisationen. Zielsetzung von Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bzgl. primär beruflicher Anliegen.“1 ( http://www.dbvc.de/cms/index.php?id=361 (5. April 2011).)
Noch in den 1990er-Jahren war Coaching als individuelle Beratung kaum verbreitet. Inzwischen herrscht ein regelrechter Coaching-Boom. Diese Entwicklung hat sich auch in der Literatur niedergeschlagen. Die Masse an Büchern zum Thema „Coaching“ erschwert jedoch die Orientierung, zumal es viele schlechte Bücher gibt. Das Defizit der meisten von ihnen ist, dass sie sehr schnelllebig sind. Die Komplexität und Schwierigkeit des Führens wird darin meist verkannt, es wird häufig als etwas Kinderleichtes dargestellt, das durch ein paar simple Kniffe einfach zu erlernen sei.

Welche philosophischen Kernkompetenzen spielen im Beratungs-/Coachingprozess eine wichtige Rolle?
Arbeitet ein Philosoph als Coach, ist es v. a. das für die Philosophie typische Denken und Staunen, das ihm im Beratungsprozess hilft.
Durch Denken wird einerseits Klarheit erzeugt, wo vorher Unklarheit herrschte. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. Bislang klare Sachverhalte werden plötzlich unklar, d. h. durch kritisches Hinterfragen werden Überzeugungen fallen gelassen, so dass zunächst einmal ein Vakuum entsteht und der Denkprozess neu beginnen muss. Philosophisches Denken folgt darüber hinaus den Gesetzen der Logik, wodurch dem Klienten Widersprüche in seiner Denkweise aufgezeigt werden können, ohne ihm deshalb konkrete Ratschläge erteilen zu müssen, wie er es besser machen könnte. Auch hier besteht nämlich das primäre Ziel darin, den Klienten zum eigenen Nachdenken anzuregen. Wer philosophisch denkt, wird auch die Grenzen des Wissens eher anerkennen als ein Nicht-Philosoph. Dies beginnt schon damit, dass sie sich darüber Gedanken machen wird, was überhaupt als Wissen gelten kann und was nicht. Zudem ermöglicht das philosophische Denken das Üben von Kritik im eigentlichen Sinne. Durch Reflexion über ein bestimmtes Thema können die dazugehörigen Aspekte geprüft und evaluiert werden, so dass der Philosoph eine bestimmte Haltung dazu entwickelt und als Meinung vertreten kann. Dadurch kann sie deutlich machen, dass man dies oder jenes nicht verantworten kann/will, weil es nicht den Maßstäben von richtig/gut genügt. Schließlich ist die Autorität des vernünftigen Arguments ein Grundsatz, der im Coachingprozess herangezogen werden kann.
Neben dem Denken ist es das Staunen, das der Coach bei der Arbeit weiterhelfen kann. Staunen entspringt der Position des Nicht-Wissens. Dies bedeutet, dass sich d. Coach zunächst einmal mit Kommentaren, Ratschlägen und sonstigen Äußerungen zurückhält, nachdem d. Klient etwas erzählt hat. Selbst wenn sie glaubt zu wissen, was d. Klienten Problem ist, z. B. durch entsprechende Erfahrungen mit anderen Klienten, sollte sie sich in eine Position des Nicht-Wissens begeben und Schritt für Schritt aus den gewonnenen Erkenntnissen neues Wissen generieren. Allerdings ist eine solche Haltung äußerst schwierig durchzuhalten, denn sie setzt sehr viel Reife seitens d. Coachs voraus, aber auch Selbstbeherrschung und – so paradox es klingen mag – Wissen. Die Versuchung d. Coachs wird stets groß sein, auf Basis eines Erfahrungsschatzes den Klienten möglichst rasch zu unterbrechen und gut gemeinte Ratschläge zu geben.

Worin unterscheidet sich ein philosophischer von einem nicht-philosophischen Berater?
In der Führungsberatung sind neben Philosophen auch bspw. Soziologen, Betriebswirte und Psychologen tätig. Was genau unterscheidet nun den philosophischen Berater von Kollegen aus anderen Disziplinen?
Im Gegensatz zu Beratern, die eine Ausbildung oder ein Studium in anderen Bereichen absolviert haben, stehen PhilosophInnen kaum fachspezifische Theorien zur Verfügung, die sie sich für den Beratungs-/Coachingprozess nutzbar machen könnten. Es geht nicht darum, dem Klienten zu erklären, warum dieser in der Vergangenheit so und so gehandelt hat. Der philosophische Berater versucht dem Klienten die Logik und den Sinn aufzuzeigen, die dessen Denken und Handeln zugrunde liegt. Auf die Erklärung von Kausalzusammenhängen und jedwede Deutungsversuche wird jedoch verzichtet. Die KlientIn selbst soll auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse zum Nachdenken angeregt werden, so dass das Verhalten aus eigenem Antrieb heraus verändert wird. Für Beratende ist es hierbei jedoch unerlässlich, über das eigene Selbst- und Arbeitsverständnis im Klaren zu sein. Offenheit mündet andernfalls in Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit.

Was bedeutet nun Führungsberatung in Philosophischer Praxis?
„Ein Philosoph [...] begleitet eine Führungsperson durch die von ihr vorgegebenen Themen; dabei schöpft der Philosoph aus dem Schatz der großen Denker, der Differenzierungsfähigkeit und seiner Fähigkeit, Verstehen von Erklären zu unterscheiden, sowie das Reflektieren der verwendeten Sprache. Ziel der Arbeit ist nicht, Menschen ‚moralischer‘ oder ‚gerechter‘ zu machen, vielmehr den Mandanten darin zu unterstützen, seine Persönlichkeit auf eine Weise weiter zu entwickeln, die es ihm erlaubt, selbstverantwortlich, klar durchdacht und im Bewusstsein der eigenen Begrenzung zu führen, anzuleiten und zu kommunizieren.“2
(Fintz, A. S.: 2010, S. 153)

Was kann Philosophische Praxis bei der Führungsberatung leisten, was nicht?
Philosophische Praxis bei der Führungsberatung bedeutet, dass Berater und Klient gemeinsam am individuellen Prozess des Klienten arbeiten, stets im Kontext der Herausforderungen seines Lebens. Der Klient soll sukzessive zu selbstreflektiertem Handeln befähigt werden und sich sowohl seiner persönlichen Freiheit, als auch der Verantwortung bewusst werden, die er für sich und sein Leben trägt. Langfristiges Ziel ist die Entstehung eines bewussten éthos, aus dem heraus gedacht, entschieden und gehandelt wird und sich den Widersprüchlichkeiten der wahrgenommenen Welt stellt.3 ( vgl. Fintz, A. S.: 2010, S. 154)
Patentrezepte und standardisierte Lösungen für die Führungsberatung gibt es jedoch nicht.


Grundlegende Voraussetzungen für den Erfolg und mögliche Hindernisse
Damit Philosophische Praxis bei der Führungsberatung erfolgreich sein kann, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. So muss auf Seiten der Klienten die Bereitschaft zum Nachdenken und Hinterfragen unbedingt vorhanden sein. Nur so sind sie für diese Art von Beratung überhaupt zugänglich. Den Beratenden wiederum muss es gelingen, (potenzielle) Klienten vom Nutzen der Führungsberatung zu überzeugen, was jedoch nicht leicht ist, da der Nutzen einer solchen Beratung nicht quantifizierbar ist.
Zu den Problemen, mit denen philosophische Führungsberater immer wieder zu kämpfen haben, zählen einmal das meist geringe philosophische (Vor-)Wissen der Klienten, sowie das oft nur schwache Interesse an der Philosophie. Auch „Halbwissen“ in einzelnen Themenbereichen, wie z. B. der Forschung zur Willensfreiheit, können die Arbeit des Philosophischen Praktikers stark behindern, da die Klienten dadurch nicht mehr offen genug sind, sich auf die Beratung einzulassen. Ferner schwindet bei vielen die Lust am Philosophieren, wenn die Unterhaltungen abstrakter und theoretischer und damit komplizierter werden.


Ansatzpunkte Philosophischer Praxis bei der Führungsberatung
Wo nun kann Philosophische Praxis bei der Führungsberatung ansetzen? Fintz nennt insgesamt vier solcher Bereiche, die nachfolgend kurz beschrieben werden.

Sprache
Klienten sollten ihr Anliegen möglichst in der Sprache vortragen, die sonst / im Alltag benutzt wird. Ein zu sprachlicher Extravaganz neigender Jargon wird die Darstellung bzw. die Inhalte, um die es geht, verzerren. Doch obwohl es wünschenswert ist, dass eine KlientIn so spricht, wie sie es gewohnt ist, sollten Philosophische Praktiker darauf aufmerksam machen, dass es sehr wichtig ist, dass man sich präzise und eindeutig ausdrückt, um Missverständnissen vorzubeugen. Diese philosophische Tugend eignet sich gut zur Klärung wichtiger Begriffe. Wenn z. B. in einen Beratungs- bzw. Coachingprozess zum Thema „Moral“ mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens involviert sind, kann durch eine Frage wie „Was ist eigentlich Moral?“ eine Diskussion in Gang gesetzt werden, die es ermöglicht, die jeweiligen Vorstellungen von Moral explizit werden zu lassen. Die MitarbeiterInnen lernen sich dadurch in ihrem Kommunikationsverhalten besser kennen, selbst wenn sie schon länger zusammen arbeiten. Außerdem lernen sie das Erklären und Präzisieren von Begriffen und es wird ihnen bewusst, wie gefährlich es sein kann, Begriffe zu verwenden, deren Bedeutung nicht hinreichend klar ist bzw. über deren Bedeutung unterschiedliche, u. U. einander widersprechende Auffassungen herrschen.

Anthropologie
Da es bei einer Beratung immer um Menschen geht, müssen sich Beratende über das eigene Menschenbild im Klaren sein. Dieses muss er auch dem Klienten offengelegt werden. Gemeinsam kann dann ein anthropologisches Konzept erarbeitet werden, das einerseits die persönliche Freiheit des Einzelnen betont, andererseits die Zuschreibung von moralischer Verantwortung für das eigene Handeln deutlich macht.

Dialektik
Dialektik, das kritische Abwägen von Für und Wider einer Sache, kann Klienten bei der Entwicklung des Führungsprofils unterstützen. Man soll lernen, dass es kaum Entscheidungen gibt, die eindeutig, also einfach sind. In aller Regel wird es so sein, dass es keine richtige Entscheidung gibt, sondern nur eine Entscheidung, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurde, nachdem eine kritische, differenzierte Evaluation aller Möglichkeiten, die zwischen zwei Extremen liegen, stattgefunden hat. Im Alltag einer Führungsperson wird es immer wieder Situationen geben, in denen, ganz egal wie sie sich entscheidet, negative Konsequenzen mit der Entscheidung verbunden sind. Ist sie bereit, dies zu akzeptieren und auch den Mitarbeitern gegenüber zu erklären, wird die Entscheidung bei jenen auf wesentlich mehr Verständnis und weniger Widerstand stoßen. Dadurch wächst sie in ihrer Funktion als Führungskraft im Laufe der Zeit und schärft ihr Führungsprofil.

Selbstdistanz
Zu sich selbst auf Distanz zu gehen kann im Beratungsprozess ebenfalls eine wirkungsvolle Methode sein. Um dies einzuüben, kann der Berater eine Puppe auf eine erhöhte Position innerhalb des Raumes setzen, der die Funktion einer neutralen, beobachtenden Instanz zugesprochen wird, die im Zweifelsfall zu befragen ist. Eine schwierige Frage kann dann an sie in etwa so gestellt werden: „Was würde X (die Puppe) zu diesem Thema wohl sagen?“ Die Puppe kann selbstverständlich keine Antwort auf die Frage geben. Berater und Klient überlegen gemeinsam, was sie wohl, unter Berücksichtigung der Eigenschaften, die ihr zugesprochen werden, sagen würde. Dadurch lernt der Klient, sich selbst aus einer anderen Perspektive (in diesem Fall jener der Puppe) zu betrachten und kritischer einzuschätzen, als dies bislang der Fall war. Möglicherweise gelangt er im Laufe des Beratungsprozesses zu einem völlig neuen Selbstbild.


Welchen Herausforderungen müssen sich Philosophische Praktiker stellen?

persönlich
Philosophische Praktiker müssen eine genaue Vorstellung davon haben, was zu unterstützen ist und was nicht. Dies setzt ein präzises Selbstverständnis bzw. eine exakte Definition der eigenen Rolle voraus, auf deren Grundlage beurteilt werden muss, ob eine Anfrage für Führungsberatung/Coaching angenommen oder abgelehnt wird. Dem Philosophen muss zudem der Spagat gelingen zwischen einerseits mit Leidenschaft und Hingabe Philosoph zu sein, andererseits jedoch auch geerdet zu sein, d. h. sich auch mit Menschen, die mit Philosophie wenig zu tun haben, normal unterhalten zu können. Aufgrund der anstrengenden Sitzungen v. a. mit mehreren Klienten gleichzeitig (z. B. beim Gruppencoaching) und den teilweise schwierigen Charakteren, mit denen es Beratende zu tun bekommen, sind körperliche Fitness und eine starke mentale Verfassung unverzichtbar, letzteres auch deswegen, weil d. Coach immer mit dem Unerwarteten rechnen muss, bspw. dann, wenn sich im (beruflichen) Leben der Klienten plötzlich Dinge ereignen, die den gesamten bisherigen Beratungsprozess auf den Kopf stellen. Dies kann auch an den Nerven d. Coachs zehren. Wichtig ist ferner, dass d. Coach Mandanten in den Mittelpunkt der Arbeit stellt, nicht sich selbst. Nur so kann man Klienten die Aufmerksamkeit schenken, die sie brauchen und das heißt auch: unnötige Frustration – auf beiden Seiten – zu vermeiden. Bei der Kommunikation ist darauf zu achten, dass Beratende Klienten als ebenbürtige Gesprächspartner achten, ganz egal, wie gebildet sie sind. Andernfalls kann keine Basis entstehen, auf deren Grundlage eine erfolgreiche Beratung möglich ist. Schließlich muss der Berater in der Lage sein, unternehmerisch zu denken, da er als Freiberufler selbst die Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit trägt. Kundenorientierung und Qualitätsdenken sind daher unverzichtbar.

sachlich
In sachlicher Hinsicht muss d. philosophische BeraterIn zur Unterstützung der Arbeit adäquate Unterlagen erstellen, die – entsprechend den Zielsetzungen – eigenen Erwartungen gerecht werden. Dazu gehört auch der Entwurf eines einheitlichen Layouts für diese Unterlagen. Sie muss sich darüber hinaus Gedanken um den Ablauf der einzelnen Sitzungen machen. Es empfiehlt sich die Konzeption eines bestimmten Ablaufschemas, das, je nachdem, um welche Art von Führungsberatung es sich handelt bzw. wie viele Teilnehmende es gibt, abgewandelt wird. Die Inhalte der einzelnen Sitzungen gilt es schriftlich festzuhalten und die Notizen zu archivieren. Auf diesen Erfahrungsschatz kann dann jederzeit zurückgegriffen werden. Um stets die zu den jeweiligen Sitzungen passenden Texte schnell parat zu haben, sollten der Philosophische Praktiker eine kleine Bibliothek anlegen, in der die relevanten Texte verfügbar sind. Während der Beratungsgespräche sollten sie – in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation – didaktische Hilfsmittel einsetzen. Dies kann ein Flipchart sein, ein Computerprogramm zur Visualisierung (z. B. PowerPoint) oder sonstiges. Des weiteren darf der Philosophische Berater, sofern er keine Angestellten hat, die administrative Arbeit nicht scheuen, die i. d. R. 40 – 50 % der Zeit in Anspruch nimmt. Dazu gehören der Schriftverkehr, Telefonate oder die Buchführung. Doch auch wenn die philosophische Praxis über Angestellte verfügt, kann nicht einfach jede Art von Arbeit an diese delegiert werden. Um die Kundenaquirierung bspw. muss man sich stets selbst kümmern, da es hierbei wesentlich auf seine Person ankommt. Da der Philosophische Berater Freiberufler sind, besitzen sie einen ganz anderen rechtlichen Status als Arbeitnehmer. Deshalb müssen sie sich um alle steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten selbst kümmern. Auch dies erfordert viel Zeit, Geduld und Spezialwissen.

Literatur:
Fintz, Anette S.: Begleitung von Führungspersonen. Führungscoaching als Philosophische Praxis, in: Detlef Staude (Hg.): Methoden Philosophischer Praxis. Ein Handbuch, Bielefeld 2010. S. 149 – 171.

Internetlinks:
Deutscher Bundesverband Coaching e.V. (5. April 2011), Definition Coaching. http://www.dbvc.de/cms/index.php?id=361.

Samstag, 16. April 2011

SternStunden Philosophische Praxis

Sternstunde Philosophie Schweizer Fernsehen 27. Juni 2010


„Denken fürs Leben – Philosophische Praxis“ Martina Bernasconi (MB) und Roland Neyerlin (RN)im Gespräch mit Norbert Bischofberger (aufgezeichnet am 26. Juni 2010)

http://www.videoportal.sf.tv/video?id=d4216519-b7aa-48d8-b5eb-f09ad2c12f43

MB:
- Missen des Bezugs zum Leben im Studium
- Kennenlernen der Bedeutungen der Begriffe durch Philosophen der Geschichte
→ die Begriffe und Bedeutungspositionen müssen reflektiert und neu gedeutet werden
RN:
- „Leben als Dauerprovisorium“ → Sinn-, Identitäts-, Orientierungsfragen
- wieviel Rezepte kann die Philosophie liefern?
- „Philosophie hat keine Rezepte“
- Weit verbreitetes Gefallen an Rezepten zur Problemlösung
- Spezifisches unserer Zeit?
 Wegbruch des Metaphysischen
MB:
- Identitätsbestimmung, 'wer bist Du?', durch Beruf, etc., war vor 30 Jahren leichter
 heute, pluralisierte Identität(en)
RN:
- antike Form der Philosophie: Lebensberatung zur Lebenskunst in Dialogform
- Enststehung in der griechischen Antike in Zeiten des Umbruchs und der Unsicherheit
- Parallelen besonders zu heute?
FRAGE: - Was ist eine Philosophische Praxis?
- deckt ein breites Spektrum ab (MB)
 vordergründig eine beratende Tätigkeit

RN:- 'Praxis' = 'Handlung'
- Philosophische Praxis: das Denken, als Handlung, als Vollzug
- Einübung der Kompetenz des Selbst
- kein bloßer Wissensverkauf
- Neyerlin als philosophischer Handelsreisender 'never ending tour'
MB:- was für Möglichkeiten bietet mir mein Denken, bzw. biete ich mir (analog zu Körperteil beim Arzt) „Was ist mit meinen Beinen?“
- philosophisches Gehen-Lernen „Wohin können mich die Beine tragen?“
NR:- Philosophie/ren: - Selber-Denken
- Wissenschaftliche Disziplin: Philosophie
letzteres folgt immer aus ersterem
keine (notwendige) Verbindung von beidem: man kann viel Philosophieren,
ohne jemals eine PHILOSOPHIE aufzuschreiben

FRAGE:- Was nützen Erfahrungen aus dem Studium?
- Die Frage wurde von ... behandelt, der sah das so und so, damit habe ich mich schon befasst
- Was sind meine Werte, Überzeugungen, ... ? → Orientierung
RN:- Haltung der ernsthaften Auseinandersetzung
- Wir (Normalos) straucheln zwischen Fundamentalismus und Beliebigkeit
- Philosophische Praxis darf nicht beliebig sein
- Wir wollen herausfinden
- mitunter schwierig: Besucher des Cafés, die schlicht unterhaltsamen Event suchen
- Unterschied: Philosophische Praxis → Begriffsklärung
Stammtisch ~ Meinungskundgebung
- Philosophie ist / bedingt: Innehalten, Zeit nehmen, Kontemplation
MB:- Die Praxis bietet 'Ausstieg', 'Aus-Zeit', 'Zeit-/Raum-Gebung'
- Zeiten des Umbruchs bringt Nähe zur Philosophie, da die Situation der Schaffung neuer Räume des Rückzugs, der Orientierung, Klärung, Überlegung bedarf
- Das Elfenbeinturm-Klischee-Problem
- auch explizites Sprechen über Theorien und Geben theoretischer Inputs
- Vertiefung durch Dialog
- In die psychotherapeutische Praxis schleicht Manche sich hinein (Label: krank, verrückt)
- gewisser Stolz der Kunden der PP
RN:- Schaufenster-Projekt verbindet Privat und Öffentlich
- PP ein hoch politisches Projekt
- es besteht gemeinhin eine mangelhafte Gesprächskultur
- Politik verwechselt Diskussion und Gespräch
- 1. Analyse - Moderation, Operation, Monolog / „Notwendigkeit“ - Wissenschaft
2. Diskussion - vorher fest verteilte Standpunkte - Schlagabtausch
3. Gespräch - offen
4. Therapie
- Das Gespräch birgt das Risiko in sich, dass sich der Standpunkt, den ich eigentlich halten will/wollte, nicht mehr halten lässt.
- Inflationärer Gebrauch von 'Gespräch'
- Sich-Einlassen
- Bildung von Gemeinsamkeit
- Nicht wissen , wohin es geht
- Liebe zur Begegnung
- Lieber betrachten der Vielseitigkeit der PP als strikte Abgrenzung zu anderen Disziplinen
- Handeln statt Behandeln
- keine Heilung
- nicht nur ein Referenzpunkt/-system vorhanden
- Entstehung aus Begegnung
- Orientierungslosigkeit durch Versagen der Systeme/Institutionen
- Ich gebe nichts konkretes, kein Rezept
MB: - Offenheit im Setting
- KEIN Verfügungswissen in PP
- gemeinsamer Sprung in den Ozean / bungee jumping
- keine Methode
RN; - Menschen sind nicht nur therapeutische Objekte
- // Psychotherapie kann keinen Sinn geben
- Philosophie hat verschiedene Zugänge
- Philosophie verschafft Ich-Ferne, Psychotherapie will Ich-Nähe herstellen
- Ich-Ferne durch Wanderung
MB:- andere Form der Suche bietend
- sinnlos Glücklich
- der glückliche Sisyphos
RN:- Sinn ~ Weg
- extreme Beratungskultur für alle Bereiche
- ich lasse mich beraten
- sich beraten ; wir uns , ich mich
- Einübung der Kompetenz der Selbstberatung
- PP ist kein Berater
- Stehen und Fallen mit der Person/Persönlichkeit
- Leidenschaft für die Begegnung und das Gespräch
- Authentizität
- Das sich-Einlassen
- Geschäftssinn
- Neyerlin der bunte Hund
 Ich bin der Weg (wenn auch nicht DIE Wahrheit), jedoch das Leben . . .


Max Otto im Blockseminar Methoden Philosophischer Praxis ,
Universität Konstanz April 2011

Aus Mike Roths Einleitung zur Podiumsdiskussion mit Martina Bernasconi, Anette Fintz, Florian Huber und Detlef Staude 9.4.2011:
Es gab und gibt meines Wissens kein mediales Ereignis, das eine vergleichbare positive Wirkung für das Bekanntmachen PHILOSOPHISCHER PRAXIS hatte
wie die Sendung vom 27, Juni 2010:
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=d4216519-b7aa-48d8-b5eb-f09ad2c12f43

Da sagt etwa Roland Neyerlin (Stelle: 20:24):
DENKEN IST EINE ERNSTE ANGELEGENHEIT
und er erinnert an die Dreiteilung (dem Sinne nach)

1 Philosophie und Wissenschaft (methodisch vorgehende Darstellung von Wissen)

2 ÜBERREDUNG ==> viele „öffentliche Diskurse“ haben diesen eristisch-sophistischen Charakter

3 P H I L O S O P H I E R E N im ergebnisoffenen und an Selbstverständigung interessierten Gespräch. Man ist sich einig: Wir wissen noch nicht … doch bemühen uns gemeinsam darum, unhaltbare Positionen zu überwinden.

Vom akademischen Philosophen FIGAL (Uni Freiburg i.B.) und vom „Erfinder“ der modernen >Philosophischen Praxis< ACHENBACH (Bergisch Gladbach/Nähe Köln-Bonn) sind Hörbücher zu Sokrates in Umlauf. Beide sind sich einig, dass „Der, mit dem es anfing“ (das eine, wie das andere – und den Karl Jaspers einen „maßgebenden Menschen“ nennt) – nicht durch ein Werk (in von ihm geschriebenen Büchern) wirkt, sondern durch seine lebenslange Tätigkeit, das Philosophieren. In der Darstellung durch seinen Schüler PLATON in dialogischen Vorlese-Stücken folgen Sokrates und seine Mitspieler einem Muster, dem ELENCHOS (argumentierender Nachweis), einer frühen Form dialogischer Logik (Vgl. Paul Lorenzen & Kuno Lorenz). Dieses halbformale Verfahren führt ja nicht zum Wahrheitsbeweis, vielmehr zur Widerlegung des grundlos für wahr Gehaltenen. (Karl Popper vorwegnehmend)

In derselben Sternstunde-Sendung zur Philosophischen Praxis bekennt Martina Bernasconi, sie habe für Beratung in Philosophischer Praxis „kein Verfügungswissen“ und sie nennt dies auch „keine Methode“. Gleichwohl haben beide hier anwesende Philosophinnen klar strukturierte Beiträge ins METHODEN-Handbuch 2010 gestellt und sie betonen, stets die Gelegenheit beim Schopf zu fassen, für ein gelingendes Gespräch in der PHILOSOPHISCHEN PRAXIS mit den Philosophierenden „Begriffe zu klären“. Wenden sie in diesem Sinn doch eine (eine sprachphilosophische) Methode an?
Auch ich beginne mit einer Begriffsbestimmung, vgl. Paul Lorenzen, Methodisches Denken:
Freigestellt (man darf),
verboten (man darf nicht)
geboten (Du sollst) wie in den 10 Geboten, möglichst mit überzeugenden „guten“ Gründen - dies bezieht sich auf Handlungsweisen. Hier geht es um Handlungsnormen, „Maximen“ des Handelns, die nach Kant so zu gestalten seien, dass sie „zum allgemeinen Gesetz“ werden könnten. Die Entsprechung im Bereich der Sachverhalte, gefasst in Aussagesätzen, ist:
möglich / (freigestellt)
unmöglich / (verboten)
notwendig. (geboten)

Alles Handeln kann sich nur im Bereich des Möglichen bewegen – hin zum Wirklichen. Von Handeln sprechen wir nur, wo Handlungsalternativen bestehen.
Diese können aber mehr oder weniger gut begründet sein. Darum geht es heute.
In dieser Überlegung wurde der Methode der Modallogik gefolgt. Und sie dient auch zur Hinführung auf das Vormittagsprogramm:

Hat Philosophische Praxis Methode(n) ?

A Ist es freigestellt, Methoden
 wenn ja, welche ?
- in der Philosophischen Praxis einzusetzen?
(das bedeutet: es gibt keine Gründe, aus denen es sich verbietet, oder schwächer: nicht empfiehlt)

B Ist es verboten, Methoden
 wenn ja, welche ?
 in der Philosophischen Praxis einzusetzen?
Und mit welchen Gründen?

C Ist es geboten, Methoden
 wenn ja, welche ?
 in der Philosophischen Praxis einzusetzen?
Aus welchen Gründen?

Zufällig sind es die zwei Philosophinnen, die von sich sagen, sie folgen in ihrer Beratungspraxis keiner Methode. Hingegen eröffnen ja die beiden Philosophen den Reigen der Beiträge im Handbuch:Methoden Philosophischer Praxis (2010) mit ihrem Chat zur Bedeutung von Methoden in der Philosophischen Praxis, worin sie sich austauschen über methodisches Vorgehen in ihrer Praxis. Zu meiner Freude sind 4 in eigener Praxis Tätige der Einladung zu dieser öffentlichen und aufgezeichneten Diskussion gefolgt und sie werden in ihren Redebeiträgen zugleich den Zuhörenden einen Eindruck davon geben, was denn (eine) philosophische Praxis ist.

Ich stelle sie Ihnen vor.

Dr. Anette Fintz ist Absolventin dieser Universität. Sie gründete und leitet das Radolfzeller „Institut für Sinn-orientierte Beratung“ (ISOB) und versteht sich heute nach einer Zusatzausbildung als PHILOSOPHIN IN DER WIRTSCHAFT.

Martina Bernasconi studierte Philosophie, Literatur und Medienwissenschaft in Basel, Berlin und New York. Sie betreibt recht erfolgreich und vielseitig seit 2003 in Basel die Philosophische Denkpraxis.

Florian Huber ist Magister der Philosophie und Doktor der Psychologie. Er lebt und arbeitet als freier Philosoph in eigener Praxis (Schwerpunkt Lebensberatung) – am schönen Chiemsee. Er leitet das von ihm initiierte „Rosenheimer Institut Gesundheit & Bildung“.

Detlef Staude ist Koordinator des Netzwerks „philopraxis.ch“ (zu dem auch Bernasconi, Fintz und Roth gehören). Er führt seit 1997 die Philosophische Praxis PHILOCOM in Bern und ist viel unterwegs. Er fährt heute mittags weiter zu einem Café Philo nach Chur. Seit 2009 ist er auch im Vorstand des neuen Berufsverbands Philosophische Praxis, der ein Ausbildungsangebot Philosophische Praxis vorbereitet.

Moderation: Mike Roth. Privatdozent für Philosophie an der Universität Konstanz.

Montag, 11. April 2011

Philosophische Praxis 2011

Philosophie praktisch: Bernasconi, Fintz, Huber, Staude diskutieren METHODEN (2010)- Moderation: Roth

Willkommen zum ersten Teil unseres öffentlichen Seminartags 2011 zur Philosophischen Praxis.

HINWEIS:
Am Nachmittag ab 14 Uhr stellt der Arzt und Philosoph Paul Bischof die im kürzlich erschienenen Buch LEGITIMITÄT ÄRZTLICHER STERBEHILFE ausgearbeiteten Überlegungen vor und es besteht die Möglichkeit sie zu diskutieren. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31.3.2011 hat die Darmstädter Philosophiedozentin Petra Gehrig neue Richtlinien der Bundesärztekammer und einen dagegen protestierenden Beschluss der Landesärztekammer Hessen (beide 2011) zum Anlass für einen Meinungsartikel genommen. Der Text beginnt: „Die Sache klingt bürokratisch, aber es geht um Leben und Tod.“ Worum geht es?
„Am 21. JAN 2011 hat die Bundesärztekammer ihre Grundsätze (Richtlinien) zur ärztlichen Sterbebegleitung verändert.“Im Untertitel des FAZ-Artikels heißt es: „Dieser Beschluss … verändert das Berufsbild des Arztes: Die deutsche Ärzteschaft stellt sich selbst die Mitwirkung bei der Selbsttötung frei“ - soweit der Hinweis auf heute Nachmittag – ab 14 Uhr, wiederum hier in D 433 !

Freigestellt (man darf),
verboten (man darf nicht)
geboten (Du sollst) wie in den 10 Geboten, möglichst mit überzeugenden „guten“ Gründen - dies bezieht sich auf Handlungsweisen. Hier geht es um Handlungsnormen, „Maximen“ des Handelns, die nach Kant so zu gestalten seien, dass sie „zum allgemeinen Gesetz“ werden könnten. Die Entsprechung im Bereich der Sachverhalte, gefasst in Aussagesätzen, ist:
möglich / (freigestellt)
unmöglich / (verboten)
notwendig. (geboten)

Alles Handeln kann sich nur im Bereich des Möglichen bewegen – hin zum Wirklichen. Von Handeln sprechen wir nur, wo Handlungsalternativen bestehen.
Diese können aber mehr oder weniger gut begründet sein. Darum geht es heute.
In dieser Überlegung wurde der Methode der Modallogik gefolgt. Und sie dient auch zur Hinführung auf das Vormittagsprogramm:

Hat Philosophische Praxis Methode(n) ?

A Ist es freigestellt, Methoden
wenn ja, welche ?
- in der Philosophischen Praxis einzusetzen?
(das bedeutet: es gibt keine Gründe, aus denen es sich verbietet, oder schwächer: nicht empfiehlt)

B Ist es verboten, Methoden
wenn ja, welche ?
in der Philosophischen Praxis einzusetzen?
Und mit welchen Gründen?

C Ist es geboten, Methoden
wenn ja, welche ?
in der Philosophischen Praxis einzusetzen?
Aus welchen Gründen?

Zufällig sind es die zwei Philosophinnen, die von sich sagen, sie folgen in ihrer Beratungspraxis keiner Methode. Hingegen eröffnen ja die beiden Philosophen den Reigen der Beiträge im Handbuch:Methoden Philosophischer Praxis (2010) mit ihrem Chat zur Bedeutung von Methoden in der Philosophischen Praxis, worin sie sich austauschen über methodisches Vorgehen in jeweils ihrer Praxis. Zu meiner Freude sind 4 in eigener Praxis Tätige der Einladung zu dieser öffentlichen und aufgezeichneten Diskussion gefolgt und sie werden in ihren Redebeiträgen zugleich den Zuhörenden einen Eindruck davon geben, was denn (eine) philosophische Praxis ist.

Ich stelle sie Ihnen vor.

Dr. Anette Fintz ist Absolventin dieser Universität. Sie gründete und leitet das Radolfzeller „Institut für Sinn-orientierte Beratung“ (ISOB) und versteht sich heute nach einer Zusatzausbildung als PHILOSOPHIN IN DER WIRTSCHAFT.

Martina Bernasconi studierte Philosophie, Literatur und Medienwissenschaft in Basel, Berlin und New York. Sie betreibt recht erfolgreich und vielseitig seit 2003 in Basel die Philosophische Denkpraxis.

Florian Huber ist Magister der Philosophie und Doktor der Psychologie. Er lebt und arbeitet als freier Philosoph in eigener Praxis (Schwerpunkt Lebensberatung) – am schönen Chiemsee. Er leitet das von ihm initiierte „Rosenheimer Institut Gesundheit & Bildung“.

Detlef Staude ist Koordinator des Netzwerks „philopraxis.ch“ (zu dem auch Bernasconi, Fintz und Roth gehören). Er führt seit 1997 die Philosophische Praxis PHILOCOM in Bern und ist viel unterwegs. Er fährt heute mittags weiter zu einem Café Philo nach Chur. Seit 2009 ist er auch im Vorstand des neuen Berufsverbands Philosophische Praxis, der ein Ausbildungsangebot Philosophische Praxis vorbereitet.

Moderation: Mike Roth. Privatdozent für Philosophie an dieser Universität.
Wir hier auf dem Podium sind gewohnt, uns zu duzen und bleiben auch heute dabei. Ich bedanke mich für die Zustimmung zur Aufzeichnung und auch beim Team der Aufzeichnenden.

Detlef Staude wird PRO Methode sprechen. Anschließend wäre ein Teilnehmer des Kompaktseminars, das in dieser Woche stattfand, bereit über seine Gedanken beim Anschauen der Sendung des Schweizer Fernsehens STERNSTUNDE PHILOSOPHIE mit Martina Bernasconi und Roland Neyerlin zur Philosophischen Praxis zu sprechen. Die Reihenfolge der weiteren Wortmeldungen ergibt sich dann. Wobei die beiden Philosophinnen sicher erläutern werden, wie es zu verstehen ist, dass sie die Position „KEINE METHODE IN DER PHILOSOPHISCHER PRAXIS“ vertreten. Aber sie werden das freilich in ihre eigenen Worte fassen.

Es gab und gibt meines Wissens kein mediales Ereignis, das eine vergleichbare positive Wirkung für das Bekanntmachen PHILOSOPHISCHER PRAXIS hatte
wie die Sendung vom 27, Juni 2010
„Denken fürs Leben – Philosophische Praxis“ Martina Bernasconi und Roland Neyerlin im Gespräch mit Norbert Bischofberger,

http://www.videoportal.sf.tv/video?id=d4216519-b7aa-48d8-b5eb-f09ad2c12f43



Da sagt etwa Poland Neyerlin (Stelle: 20:24):
DENKEN IST EINE ERNSTE ANGELEGENHEIT
und er erinnert an die Dreiteilung (dem Sinne nach)

1 Philosophie und Wissenschaft (methodisch vorgehende Darstellung von Wissen)

2 ÜBERREDUNG ==> viele „öffentliche Diskurse“ haben diesen eristisch-sophistischen Charakter

3 P H I L O S O P H I E R E N im ergebnisoffenen und an Selbstverständigung interessierten Gespräch. Man ist sich einig: Wir wissen noch nicht … doch bemühen uns gemeinsam darum, unhaltbare Positionen zu überwinden.

Vom akademischen Philosophen FIGAL (Uni Freiburg i.B.) und vom „Erfinder“ der modernen >Philosophischen Praxis< ACHENBACH (Bergisch Gladbach/Nähe Köln-Bonn) sind Hörbücher zu Sokrates in Umlauf. Beide sind sich einig, dass „Der, mit dem es anfing“ (das eine, wie das andere – und den Karl Jaspers einen „maßgebenden Menschen“ nennt) – nicht durch ein Werk (in von ihm geschriebenen Büchern) wirkt, sondern durch seine lebenslange Tätigkeit, das Philosophieren. In der Darstellung durch seinen Schüler PLATON in dialogischen Vorlese-Stücken folgen Sokrates und seine Mitspieler einem Muster, dem ELENCHOS (argumentierender Nachweis), einer frühen Form dialogischer Logik. Dieses halbformale Verfahren führt ja nicht zum Wahrheitsbeweis, vielmehr zur Widerlegung des grundlos für wahr Gehaltenen.

In derselben Sternstunde-Sendung zur Philosophischen Praxis bekennt Martina Bernasconi, sie habe für Beratung in Philosophischer Praxis „kein Verfügungswissen“ und sie nennt dies auch „keine Methode“. Gleichwohl haben beide hier anwesende Philosophinnen klar strukturierte Beiträge ins METHODEN-Handbuch 2010 gestellt und sie betonen, stets die Gelegenheit beim Schopf zu fassen, für ein gelingendes Gespräch in der PHILOSOPHISCHEN PRAXIS mit den Philosophierenden „Begriffe zu klären“. Wenden sie in diesem Sinn doch (eine sprachphilosophische) Methode an?

Das Wort hat nun der Herausgeber der Textsammlung Methoden der Philosophischen Praxis. Dann sehen wir weiter.