Stephan Schweitzers Protokoll der Sitzung vom 10.11.
In dieser Sitzung stand der Text „Als Philosoph auf der Walz“ von Roland Neyerlin auf dem Programm, der von Sandra referiert wurde. Nach einigen Bemerkungen zur Organisation von N.s Praxis, der vom Stubenhocker zur „Weggestalt“, also zum Reisenden wurde und selten in der mit einer Kollegin geteilten Praxis philosophiert, wurde besprochen, wie sich Neyerlin seine philosophische Praxis vorstellt: Methodisch gesehen ist es für ihn sehr wichtig, die Leute zum Nachdenken, zum eigenen Philosophieren anzuregen. Statt philosophische Gedanken einfach monologisch zu vermitteln, versteht sich Neyerlin als „Orientierungsanbieter“, der einen Prozess der Selbstberatung und Selbstorientierung anstoßen will, statt den Hilfesuchenden diese Aufgabe einfach abzunehmen und vorzuzeichnen.
Die für ihn entscheidenden inhaltlichen Themen bei der Beratung sind einerseits die Frage nach dem Sinn und andererseits das damit zusammenhängende Problem der Desorientierung. In beiden Bereichen sind Probleme inzwischen sehr üblich, was Neyerlin als Ausdruck des Zeitgeistes begreift: In Zeiten zunehmender Unsicherheit und Umbrüche, in der das Individuum oft zur Umorientierung gezwungen ist, werde Selbstorientierung und Sinnherausbildung zu einer besonderen Herausforderung. Diese will Neyerlin mit seinen Kunden im Gespräch gemeinsam herausarbeiten und ihnen so Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln.
Am im Text beschriebenen Fall eines Parkinsonkranken erläuterte Mike, dass es in
bestimmten Fällen weniger auf den Inhalt als auf das dabei aufkeimende „Gefühl des
Denkens“ ankomme. Die Vermittlung dieses Gefühls könne manchmal schon hinreichend dafür sein, Lust am Denken zu bekommen; in diesem Sinne die intellektuelle Neugierde
anzustoßen, könne schon ausreichend dafür sein, beim Individuum das philosophische Denken ins Alltagsbewusstsein einzulassen.
Im Anschluss wurden einige Details des Textes noch etwas genauer diskutiert:
Dabei wurde über das Verhältnis zwischen „Philosophieren“ und „Philosophie“ gesprochen und zwar insbesondere, inwieweit philosophisches Wissen in handlungsleitendes Wissen überführt werden könne und wie wichtig dieser Übergang ist. Dabei wurde auch festgestellt, dass der Begriff der Philosophie bei Neyerlin stark praktisch geprägt sei; Sandra merkte an, dass Philosophie – wie sie hier verstanden wird – bereits Lebenskunst und Lebenspraxis meine. Damit in Zusammenhang steht die Unterscheidung zwischen Philosophie als reflektive Haltung, die nach der Handlung über dieselbe nachdenkt und praktischer Philosophie auf der anderen Seite, die vor der Handlung einsetzt und handlungsleitenden Charakter hat.
Im Folgenden wurde darüber nachgedacht, was ein Bezugsetzen zweier Begriffe A und B in das syntaktische Gerüst „Erst kommt A, dann B“ bedeutet – analog zu Neyerlins Behauptung, dass zuerst das Philosophieren, dann die Philosophie kommt. Ferner wurde noch die Behauptung, dass Philosophie kein Tool bzw. keine Werkzeugkiste für das gute Leben sei, kritisch betrachtet. Wie Sandra und Stephan analysierten, sei diese Behauptung in ihrer Wortwahl unglücklich; der entsprechende Satz sei vielmehr so zu deuten, dass die philosophische Betätigung allein kein gutes Leben garantiere und in diesem Sinne nicht hinreichend dafür sei. In diesem Sinne sei die Philosophie kein „instant tool“. Marc ergänzte, dass Neyerlin möglicherweise auf die Unterscheidung zwischen Poesis und Praxis anspiele und in diesem Sinn Philosophie keine Poesis und damit nicht zweckgebunden sei.
Zum Schluss wies Mike noch auf zwei wesentliche Merkmale des Ansatzes von Neyerlin hin: Das sei einerseits seine Ethik des mitmenschlichen Kontakts, welche Voraussetzung für diese diskursive Art des Philosophierens sei und andererseits Neyerlins Lebens- und Menschenverständnis auf einem konstruktivistischen Ansatz beruhe.
Dienstag, 11. November 2008
Als Philosoph auf der Walz
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen