Sonntag, 26. September 2010

Café Philo Sartre


Moderiert von Thomas Felix Mastronardi fand am 25.9.2010 das zweite Café Philo in der Alten Schmiede Uettligen / BERN statt. Susanna Mani führte in den Text des 3 Personenstücks "Geschlossene Gesellschaft", (frz. Huis clos, geschlossene Türen). In verteilten Rollen wurden Passagen verlesen und es entstand eine muntere Kontroverse zur Freiheitsphilosophie, Aufrichtigkeit und der je eigenen Lebensphilosophie.

Geschlossene Gesellschaft - das sind drei Tote, unentrinnbar für immer zusammengesperrt in einem scheußlichen Empirezimmer, wo das Licht ewig brennt und keine Sekunde Schlaf gegönnt wird. Garcin, ein Journalist, hat seine Frau in den Tod getrieben und war als Politiker in entscheidender Situation feige. Die hochintellektuelle Ines hat eine junge Frau ihrem Mann entfremdet, bis diese zutiefst verzweifelt sich selbst und Ines mit Gas vergiftet hat. Die sinnlich verführerische Estelle hat ihr Kind ermordet und ihren Geliebten in den Tod getrieben. Die Hölle, in der diese drei Verdammten schmoren, bedarf keiner Bratroste und keines sengenden Feuers - sie sind einander selbst Hölle genug. Jeder ist verdammt dazu, die anderen beständig zu quälen und selbst von den anderen gequält zu werden. Die lesbische Ines verzehrt sich nach Estelle, die aber nichts von ihr wissen will und sich an Garcin heranmacht. Garcin wiederum lechzt nach der intellektuellen Anerkennung von Ines. So dürstet jeder nach der Hilfe eines der beiden anderen, aber sich nähernd, verletzt er zugleich zutiefst. Sie können weder voneinander lassen, noch voreinander fliehen, nicht einmal töten können sie sich - sie sind bereits tot! Und so gilt auf ewig: "Die Hölle, das sind die anderen". Trotzdem verlässt Keine/r die Szene, auch dann nicht, wenn die Tür einmal offen ist ...

Jean-Paul Sartre über Geschlossene Gesellschaft:
Wenn man ein Stück schreibt, gibt es immer bestimmte Anlässe und tiefere Gründe. Der Anlass war der, daß ich, als ich um 1943 und Anfang 1944 Geschlossene Gesellschaft schrieb (also nach: DAS SEIN UND DAS NICHTS), drei Freunde hatte, und ich wollte, dass sie ein Stück spielen, ein Stück von mir, ohne dass einer von ihnen dabei bevorzugt wäre. Das heißt, ich wollte, dass sie die ganze Zeit auf der Bühne zusammenbleiben.

Die drei Personen, die Sie in Geschlossene Gesellschaft hören werden, sind insofern nicht wie wir, als wir lebendig und sie tot sind. Natürlich, «tot» symbolisiert hier etwas. Ich wollte einfach zeigen, dass viele Leute in einer Reihe von Gewohnheiten und Gebräuchen verkrustet sind, dass sie Urteile über sich haben, unter denen sie leiden, die sie aber nicht einmal zu verändern versuchen. Und diese Leute sind wie tot. Insofern sie den Rahmen ihrer Probleme, ihrer Ambitionen und ihrer Gewohnheiten nicht durchbrechen können und daher oft Opfer der Urteile bleiben, die man über sie gefällt hat. Von daher ist ganz evident, daß sie zum Beispiel feige oder bösartig sind.

Wenn sie angefangen haben, feige zu sein, so wird nichts die Tatsache ändern, dass sie feige waren. Deswegen sind sie tot, deswegen, damit soll gesagt werden, dass es ein lebendiges Totsein ist, wenn man von der ständigen Sorge um Urteile und Handlungen umgeben ist, die man nicht verändern will. So dass ich also, da wir ja lebendig sind, durch das Absurde die Bedeutung der Freiheit habe zeigen wollen, das heißt der Veränderung des Handelns durch andre Handlungen. In welchem Teufelskreis wir auch immer sind, ich denke, wir sind frei, ihn zu durchbrechen. Und wenn die Menschen ihn nicht durchbrechen, dann bleiben sie, wiederum aus freien Stücken, in diesem Teufelskreis. Also begeben sie sich aus freien Stücken in die Hölle.

Sie sehen also, Beziehungen zu den andren, Verkrustung und Freiheit, Freiheit als die nur angedeutete andre Seite, das sind die drei Themen des Stücks. Ich möchte, dass man sich daran erinnert, wenn man den Satz hört: Die Hölle, das sind die andern.
sartre.odysseetheater.com

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